Risiko- und Chancensituation
Im Folgenden werden die wesentlichen Ergänzungen und neuen Entwicklungen zu der im zusammengefassten Lagebericht im Geschäftsbericht 2021 dargestellten Risiko- und Chancensituation ausgeführt. Ferner wird auf den „Haftungsausschluss“ am Ende dieses Berichts verwiesen.
Risiko- und Chancen-Management-System
Risikoanalyse. Für den aggregierten Ausweis einer Gesamtrisikoposition wird eine „EBITDA AL at Risk“-Berechnung durch Group Risk Governance für die Deutsche Telekom durchgeführt. Diese gibt an, dass mit einer bestimmten Eintrittswahrscheinlichkeit das in der Simulation ermittelte Risikoausmaß nicht überschritten wird. Neu im Vergleich zu der im zusammengefassten Lagebericht 2021 verwendeten Methodik ist eine zusätzliche „Cashflow at Risk“-Berechnung, welche Risiken aggregiert, die auf den Cashflow wirken. Die Risikoaggregationen erfolgen durch eine Monte-Carlo-Simulation, bei der eine große Anzahl risikobedingt möglicher Zukunftsszenarien berücksichtigt werden. Die Gesamtrisikopositionen werden in Bezug zur Risikodeckungsmasse gesetzt.
Unternehmensrisiken
Makroökonomisches Umfeld. Die Unsicherheit über die weltwirtschaftliche Entwicklung ist weiterhin hoch. Der Krieg in der Ukraine hat den Ausblick auf die wirtschaftliche Entwicklung deutlich verschlechtert. Eine Konsequenz sind die stark gestiegenen Energiepreise, welche zu höheren Energie-, Transport- und Herstellungskosten führen. Die generelle Knappheit von Energieträgern könnte zu weltweit steigenden Energiepreisen und Versorgungsengpässen v. a. für unsere operativen Segmente Deutschland und Europa führen. Zusätzlich hat die Coronavirus-Pandemie immer noch Auswirkungen auf die Weltwirtschaft und das gesellschaftliche Zusammenleben. Auch wenn die Pandemie bis dato nur eingeschränkt negative Auswirkungen für die Telekommunikation zeigte, so könnte eine Intensivierung des Pandemiegeschehens zu einer Verlängerung und Ausweitung der angebotsseitigen Engpässe führen. In diesem Zusammenhang stellt die zentrale Rolle Chinas für die globalen Liefer- und Wertschöpfungsketten in Kombination mit der dortigen Null-Toleranz-Strategie ein besonderes Risiko dar. Die Kombination aus weiter steigenden Preisen und anhaltenden Lieferengpässen wird aller Voraussicht nach zu einem Rückgang der Wirtschaftsleistung im Winterhalbjahr 2022/2023 bei anhaltend hoher Inflation führen. Zusätzlich könnte der schwache Euro im Verhältnis zum US-Dollar zu weiteren Kostensteigerungen bei Energie und Rohstoffen und somit zu einer Beschleunigung der Inflation führen. Dies könnte auch Wechsel der Kunden in günstigere Tarife auslösen und zu vermehrten Zahlungsausfällen führen. Ähnliche Entwicklungen könnte es auch in den USA geben, wo die pandemiebedingten Hilfsprogramme der Regierung ausgelaufen sind. Durch gestiegene und wahrscheinlich noch steigende Zinsen in den USA und Europa könnten gesamtwirtschaftliche Investitionen und der Konsum sinken. Zusätzliche Risiken könnten eventuell aus weiteren geopolitischen Konflikten und der Unsicherheit aus internationalen Handelskonflikten resultieren. Wir sehen daher für unsere Segmente Deutschland, USA und Europa eine Verschlechterung der makroökonomischen Situation und erhöhen die Risikobedeutung von gering auf mittel.
Marktumfeld USA. In Bezug auf das Marktumfeld der T‑Mobile US haben sich im Jahresverlauf einige Verbesserungen ergeben, weshalb wir die Risikobedeutung von sehr hoch auf hoch absenken. Unter anderem aufgrund des Erfolgs bei der Frequenzauktion 108 der Federal Communications Commission im Bereich 2,5 GHz. Hier konnte sich T‑Mobile US mit Ablauf der Bietphase ihre Spektrumposition für die nächsten Jahre sichern. Außerdem kann T‑Mobile US mit ihrem Highspeed-Internet zum einen ein eigenes Zugangsprodukt anbieten, zum anderen ist T‑Mobile US damit auch im Bereich der gebündelten Angebote sehr erfolgreich tätig. Des Weiteren haben T‑Mobile US und DISH eine neue Wholesale-Vereinbarung abgeschlossen, die zu zusätzlichen Umsätzen führt.
Strategische Umsetzung und Integration. Die Risikobedeutung der Risikokategorie „strategische Umsetzung und Integration“ senken wir von hoch auf mittel ab. Dies ist im Wesentlichen auf Entwicklungen in den USA zurückzuführen. T‑Mobile US macht große Fortschritte bei der Realisierung von Synergien aus dem Zusammenschluss mit Sprint. Als Folge der Zusammenlegung und Optimierung der Mobilfunk-Netzwerke konnten die Kunden bereits weitgehend auf das Netz der T‑Mobile US migriert werden. Durch die Optimierung des Netzwerks konnten zahlreiche Standorte wegfallen und die Funkmaststilllegungen verlaufen besser als geplant.
Einkauf und Lieferanten. Die Lieferketten der Deutschen Telekom werden aktuell durch einige Faktoren negativ beeinflusst, z. B. durch Verknappung von Halbleiter-Chips, die Coronavirus-Pandemie, geopolitische Spannungen und den Krieg in der Ukraine. Bei den Halbleiter-Chips besteht seit einigen Quartalen ein Ungleichgewicht zwischen Angebot und Nachfrage auf dem Weltmarkt. Zusätzlich behindern Einschränkungen durch Pandemie-Maßnahmen (z. B. Lockdowns in asiatischen Ländern) und die Geopolitik (z. B. Technologie-Sanktionen der USA) die globale Logistikstabilität der Rohstoffe für die Produktion von Chips und zugehörige Prozesse wie Gehäusefertigung und Tests. Des Weiteren steigen die allgemeinen Kosten von Halbleiter-Materialien, der Produktion, Energie, Arbeitslöhnen sowie der globalen Logistik und führen zu generellen Preiserhöhungen für Produkte und Dienstleistungen. In Europa treten zudem Lieferverzögerungen auf. Kurzfristige Engpässe konnten jedoch durch Maßnahmen vermieden werden. Ebenfalls könnte es in den USA zu Bestandsengpässen kommen. Für die Halbleiter-Verfügbarkeit wird mittelfristig durch den Aufbau zusätzlicher Produktionskapazitäten mit einer Entspannung gerechnet. Die Risikobedeutung der Risikokategorie „Einkauf und Lieferanten“ erhöhen wir von gering auf mittel, da sich die Lage durch die chinesische Null-Covid-Politik und u. a. der damit verbundenen Schließung von chinesischen Häfen sowie nicht absehbaren Folgen des Ukraine-Kriegs verschärfen könnte. Den Herausforderungen begegnen wir mit organisatorischen, vertraglichen und einkaufsstrategischen Maßnahmen. So besteht z. B. seit Anfang 2021 die konzernweite „Supply Chain Resilience“. Hier werden in regelmäßigen Intervallen die Risikosituation bewertet und bei Notwendigkeit entsprechende Mitigierungsmaßnahmen eingeleitet und deren Umsetzung überwacht.
Sonstige operative Risiken. Der Erfolg und die Leistungserbringung der Deutschen Telekom sind abhängig von der Fähigkeit, Fachpersonal und Talente zu akquirieren, zu binden und zu entwickeln. Durch den intensiveren Wettbewerb um das Fachpersonal und die Talente („War for talents“) sowie der zunehmenden Flexibilität dieser (z. B. durch Remote Work) könnten wichtige Mitarbeiter (insbesondere Technik- und IT-Personal) das Unternehmen verlassen, während der Bedarf weiter steigt. Weiter stark steigende Einstellungsgehälter könnten die Situation verschärfen und zu weiteren Kostensteigerungen führen. Auch die Personalverfügbarkeit an den Near- und Offshore-Standorten mit angemessenem Skill-Profil ist bedeutend, um Leistungen budget-, anforderungs- und zeitgerecht erbringen zu können. Zudem sind die Ansprüche der Talente an Arbeitgeber gestiegen. Sie fordern neben der Vergütung von Unternehmen andere Faktoren wie flexibles Arbeiten, Environmental Social Governance, Diversität und Innovationen. Aufgrund des zunehmenden „War for talents“ und möglicher Kostensteigerungen durch Gehälter erhöhen wir die Bedeutung der Risikokategorie „sonstige operative Risiken“ von gering auf mittel. Um den Herausforderungen zu begegnen, wird kontinuierlich u. a. die Marke Telekom und T‑Mobile US als attraktiver Arbeitgeber gestärkt sowie neues Fachpersonal sowie Talente proaktiv und global gesucht.
Finanzwirtschaftliche Risiken. Unsere Nettofinanzverschuldung sowie die Neuverschuldung unterliegen Zinsänderungen. Ein Anstieg der Zinsen wird über die Zeit einen Anstieg des Zinsaufwands verursachen. Der Inflationsdruck in Europa und den USA haben die Zentralbanken veranlasst, die Zinsen mehrfach anzuheben. Weitere Erhöhungen, mit negativen Auswirkungen auf unsere zukünftigen Zinsaufwendungen, können nicht ausgeschlossen werden. Aufgrund des Kriegs in der Ukraine und der aktuellen Situation auf dem Weltmarkt sind die Kosten für Energieträger stark gestiegen. Die Energiepreise sind sehr volatil und es ist möglich, dass diese weiter steigen bzw. auf hohem Niveau bleiben. Dadurch verteuern sich ebenfalls der Transport und der Einkauf von Waren. Aufgrund der stark gestiegenen Zinsen und Energiekosten erhöhen wir die Risikokategorie „finanzwirtschaftliche Risiken“ von hoch auf sehr hoch.
Rechtsverfahren
Klagen wegen Entgelten für die Mitbenutzung von Kabelkanalanlagen. In den vom BGH an die zuständigen Oberlandesgerichte zurückverwiesenen Klagen der Vodafone Deutschland GmbH und der Vodafone Hessen et al. (jetzt Vodafone West GmbH) gegen die Telekom Deutschland GmbH wegen vermeintlich überhöhter Entgelte für die Nutzung von Kabelkanalanlagen, hat die Klägerin Vodafone Deutschland GmbH zwischenzeitlich ihre Klageanträge aktualisiert und beziffert diese nun auf ca. 749 Mio. € zuzüglich Zinsen für den Zeitraum Januar 2012 bis Dezember 2021. Die Klägerin Vodafone West GmbH hat ihre Klageanträge ebenfalls aktualisiert und beziffert diese nun auf ca. 418 Mio. € zuzüglich Zinsen für den Zeitraum Januar 2016 bis August 2022. Die finanziellen Auswirkungen können derzeit nicht ausreichend verlässlich geschätzt werden.
Verfahren gegen T‑Mobile US wegen Cyberangriff auf T‑Mobile US. Aufgrund des Cyberangriffs im August 2021 wurden zahlreiche Verbrauchersammelklagen, darunter auch Massenschiedsverfahren (Mass Arbitrations), gegen T‑Mobile US, sowie eine Aktionärsklage (Derivative Action) gegen die Mitglieder des Verwaltungsrats (Board of Directors) der T‑Mobile US und die T‑Mobile US als Mitbeklagte erhoben. Die im November 2021 erhobene Aktionärsklage wurde zwischenzeitlich zurückgenommen.
Im September 2022 reichte ein weiterer angeblicher Aktionär eine neue Aktionärsklage gegen die Mitglieder des Verwaltungsrats der T‑Mobile US und die T‑Mobile US als Mitbeklagte ein, in der er Ansprüche wegen Verletzung der Treuepflicht im Zusammenhang mit den Cybersicherheitspraktiken der Gesellschaft geltend macht. Das sich hieraus ergebende finanzielle Risiko kann derzeit nicht ausreichend verlässlich geschätzt werden.
Am 22. Juli 2022 hat T‑Mobile US eine Vereinbarung zur Beilegung der bundesgerichtlichen Verbrauchersammelklage in Höhe von 350 Mio. US‑$ (331 Mio. €) abgeschlossen. Darüber hinaus sagt T‑Mobile US zu, in den Jahren 2022 und 2023 insgesamt 150 Mio. US‑$ (142 Mio. €) für Datensicherheit und damit verbundene Technologien auszugeben. Der Vergleich unterliegt noch der endgültigen gerichtlichen Genehmigung. T‑Mobile US geht davon aus, dass der Vergleich der bundesgerichtlichen Verbrauchersammelklage, sofern vom Gericht genehmigt, zusammen mit weiteren Vergleichen, die mit Verbrauchern bereits abgeschlossen wurden oder noch abgeschlossen werden sollen, im Wesentlichen alle bis dato geltend gemachten Ansprüche von aktuellen, früheren und potenziellen Kunden, die von dem Cyberangriff 2021 betroffen waren, abgelten wird. T‑Mobile US hat in diesem Zusammenhang bilanzielle Risikovorsorge in Höhe von insgesamt rund 0,3 Mrd. US‑$ (rund 0,3 Mrd. €) getroffen.
Im Hinblick auf die Anfragen von verschiedenen staatlichen Behörden, Strafverfolgungsbehörden und anderen Stellen kooperiert T‑Mobile US weiterhin vollumfänglich. Derzeit kann das sich hieraus ergebende finanzielle Risiko nicht ausreichend verlässlich geschätzt werden.
Kartellverfahren
Schadensersatzklagen gegen Slovak Telekom infolge einer Bußgeldentscheidung der Europäischen Kommission. Im Anschluss an eine Bußgeldentscheidung der Europäischen Kommission haben Wettbewerber Klage vor dem Zivilgericht in Bratislava gegen Slovak Telekom erhoben. Nachdem in der Berichtsperiode eine weitere Klage bei Gericht eingereicht wurde, sind derzeit drei Klagen in Höhe von insgesamt 219 Mio. € zuzüglich Zinsen anhängig. Die finanziellen Auswirkungen können derzeit nicht ausreichend verlässlich geschätzt werden.
Schadensersatzklage gegen Deutsche Telekom AG u. a. wegen Insolvenz von Phones4U. Im Zusammenhang mit der Klage des seit dem Jahr 2014 insolventen unabhängigen britischen Mobilfunk-Vertragshändlers Phones4U fand in der Zeit von Mitte Mai bis Ende Juli 2022 zur Frage des Anspruchsgrundes die mündliche Verhandlung mit einer Vielzahl von Zeugen und Gutachtern vor dem High Court of Justice in London statt. Phones4U macht nach wie vor Schadensersatz in bislang unbezifferter Höhe geltend. Die finanziellen Auswirkungen können weiterhin nicht ausreichend verlässlich geschätzt werden.
Einschätzung zur Gesamtrisikosituation
Die Gesamtrisikosituation hat sich im Vergleich zu der im zusammengefassten Lagebericht im Geschäftsbericht 2021 dargestellten Risiko- und Chancensituation aufgrund des Kriegs in der Ukraine und den daraus resultierenden Folgen für die Weltwirtschaft verschlechtert. Zum Zeitpunkt der Erstellung dieses Berichts sind in unserem Risiko-Management-System, wie auch nach Einschätzung unseres Managements, keine wesentlichen Risiken absehbar, die den Bestand der Deutschen Telekom AG oder eines wesentlichen Konzernunternehmens gefährden könnten.